Gefäßfehlbildungen und Gefäßanomalien
Wie kommt es zu Gefäßfehlbildungen?
Unter dem Begriff Gefäßanomalien (vaskuläre Anomalien) werden Gefäßtumoren und Gefäßfehlbildungen (vaskuläre Malformationen) zusammengefasst. Zu den Gefäßtumoren zählt z.B. das Hämangiom (auch als „Blutschwamm“ bezeichnet). Dabei handelt es sich um einen gutartigen Tumor, der in den meisten Fällen nur Kinder betrifft und fast immer harmlos ist.
Während es bei Gefäßtumoren zu einem vermehrten Zellwachstum kommt, ist bei den Gefäßfehlbildungen der Gefäßaufbau verändert. Gefäßfehlbildungen können aus verschiedenen Gefäßtypen, Arterien, Venen, Kapillaren und/oder Lymphgefäßen hervorgehen. Vaskuläre Malformationen können aus einem einzigen Gefäßtyp (so genannte simple Läsionen) oder aus mehreren (so genannte komplex-kombinierte Läsionen) bestehen. Gefäßfehlbildungen werden häufig ebenso als Hämangiom oder Blutschwamm bezeichnet. Dies rührt von einer alten Nomenklatur, welche jedoch seit der Einführung der ISSVA-Klassifikation verlassen wurde.
Typisch für vaskuläre Malformationen ist, dass sie die gesunden Grenzen der verschiedenen Gewebe (Haut, Fettgewebe, Muskulatur, Knochen) oft nicht respektieren. Je früher die Störung der Blutgefäßentwicklung auftritt, desto weniger respektiert die Malformation die Gefäßgrenzen und aus desto mehr verschiedenen Typen besteht sie.
Wie äußern sich Gefäßanomalien?
Vaskuläre Malformationen können sich unterschiedlich bemerkbar machen. Obgleich diese angeborenen Störungen der Gefäßentwicklung bei vielen Patientinnen und Patienten bereits im Säuglings- oder Kindesalter klinisch in Erscheinung treten, ergibt sich der Behandlungsbedarf – mit Ausnahme der arteriovenösen Malformation – vor allem durch Beschwerden oder soziale Einschränkungen. Schließlich stellt sich bei einigen Patientinnen und Patienten erst im Erwachsenenalter heraus, dass eine vaskuläre Malformation vorhanden ist. Häufig suchen betroffene Menschen verschiedene Stellen auf, bevor eine korrekte Diagnose gestellt wird.
Zu welchen Symptomen und Beschwerden kann es bei Gefäßfehlbildungen kommen?
Die Beschwerden hängen vom Typ der Gefäßfehlbildung ab und können je nach Auftreten sehr unterschiedlich ausfallen. Bei venösen Fehlbildungen treten häufig Schmerzen bei Tieflagerung des betroffenen Körperteils oder in der Wärme auf. Arteriovenöse Malformationen (AVMs) können recht unspezifische Symptome verursachen und werden oft nicht korrekt zugeordnet. Größere AVMs können Schmerzen verursachen, die sich gelegentlich wie ein Muskelkater anfühlen. Weiter fortgeschritten treten häufig offene Stellen an der Haut auf, da die Fehlbildung dem umgebenden Gewebe Blut wegnimmt (so genannte Steal-Phänomen). Lymphatische Malformationen sind äußerlich oft gut als weiche Schwellung unter der Haut zu erkennen. In manchen Fällen verursachen sie nässende Hautstellen.
Diagnose: Wie stellt der Arzt Gefäßfehlbildungen fest?
Da vaskuläre Malformationen zu den seltenen Erkrankungen zählen, vergeht meist etwas Zeit, bis eine korrekte Diagnose gestellt wird.
Zunächst wird eine ausführliches Anamnesegespräch geführt, welche die Krankheitsgeschichte seit der Geburt, manchmal auch davor einbezieht. Anschließend erfolgt eine klinische Untersuchung. Häufig sind weitere diagnostische Untersuchungen, wie Ultraschall oder MRT erforderlich, um eine definitive Diagnose zu stellen. In manchen Fällen bestehen Mischformen oder sehr seltene Ausprägungen, für die eine exakte Diagnosefindung mehr Zeit benötigt.
Ultraschall
Die hochauflösende Ultraschalluntersuchung eignet sich vor allem für oberflächliche Fehlbildungen an den Armen, Beinen, am Stamm, oder im Gesicht. In vielen Fällen ist diese einfache und gut verfügbare Diagnostik bereits ausreichend, um den Typ der Fehlbildung zu bestimmen. Kindern lassen sich damit sehr gut und kaum belastend untersuchen, da die Untersuchungszeit kurz ist und Bewegungen meist nicht stören. Der Nachteil der Methode besteht darin, dass deren Aussage nicht nur von der Qualität des Gerätes, sondern maßgeblich von der Expertise des Untersuchers abhängt.
MRT
Wenn die Diagnose mittels Ultraschall unklar ist, weil die Fehlbildung entweder nicht erkennbar oder zu tief gelegen ist, kann eine MRT die Diagnostik sehr gut ergänzen. Ein großer Vorteil der MRT ist die sehr gute Nachvollziehbarkeit des Befundes sowie die gute Erkennbarkeit verschiedener Weichgewebe. Des weiteren kann eine MR-Angiografie durchgeführt werden, welche die Blutgefäße im Bereich der Fehlbildung darstellt. Obgleich das MRT ohne Röntgenstrahlung auskommt, ist die lange Dauer der Untersuchung von bis zu einer Stunde viele, vor allem junge Patienten belastend.
Welche Behandlung stehen bei Gefäßfehlbildungen bzw. Gefäßanomalien zur Verfügung?
Die Notwendigkeit und Art der Behandlung vaskulärer Malformationen hängt in erster Linie vom Typ ab. Arteriovenöse Malformationen wachsen oft aggressiv und müssen daher frühzeitig behandelt werden, da eine Behandlungsverzögerung zu schwerwiegenden Konsequenzen führen kann.
Bei venösen, lymphatischen und kapillären Malformationen richtet sich die Behandlung vor allem nach den Beschwerden und dem Leidensdruck der Patientinnen und Patienten.
Konservative Behandlung
Vor allem bei venösen Malformationen hilft oft Hochlagern und Kühlung der betroffenen Körperstellen, sofern dies möglich ist. Sind Arme oder Beine betroffen, ist das Tragen eines Kompressionsstrumpfes vorteilhaft.
Interventionelle Therapie
Für die Behandlung von Gefäßfehlbildunden stehen verschiedene interventionelle Methoden zur Verfügung. Offen-chirurgische Resektionen können in der Mehrheit der Fälle vermieden werden.
Slow-flow Malformationen. Bei lymphatischen und venösen Malformationen wird vor allem die Sklerotherapie mit verschiedenen Substanzen angewendet. Ergänzend kann bei venösen Malformationen eine endovenöse Lasertherapie, ähnlich der Krampfadertherapie eingesetzt werden. Die Kombination beider Verfahren ist vor allem bei größeren, ausgedehnten Fehlbildungen sinnvoll.
Fast-Flow Malformationen. Für arteriovenöse Malformationen kommt vor allem die Embolisation zur Anwendung, welche entweder über einen arteriellen, venösen oder direkten Zugang erfolgen kann.
In vielen Fällen ist eine Abschluss der Therapie nicht in einer Sitzung zu erreichen und eine Wiederholung der Therapie notwendig, um das Behandlungsziel zu erreichen. Ist eine große Region des Körpers betroffen, kann häufig nur eine Symptomkontrolle erreicht werden. Abstand und Häufigkeit der Therapiesitzungen werden immer gemeinsam mit dem Patienten festgelegt.
Chirurgische Therapie
Der Stellenwert der chirurgischen Therapie liegt vor allem dort, wo die Veränderungen klein und umschrieben sind, oberflächlich liegen und idealerweise nur einen Gewebeabschnitt betreffen. Für tiefer gelegene Läsionen mit Ausdehnung über mehrere Zentimeter sowie für vor allem solche, welche Gewebsgrenzen überschreiten, sind interventionelle (minimal-invasive) Optionen besser geeignet.
Schließlich führt bei arteriovenösen Malformationen, wo immer möglich, die Kombination aus Embolisation und anschließender Resektion zum optimalen Behandlungserfolg.